Flight Gear - noch (k)ein neuer Flugsimulator

Dr. Michael Basler, Jena

PC-Flugsimulationen, jedenfalls solche wie Microsoft Flugsimulator, ATP oder Flight Unlimited, sind eigentlich billig. Vergleicht man den Preis mit dem der benötigten Hardware, die eher High-End sein sollte, ist der für das Programm fast schon eine Verschwindungsgröße.

Trotzdem haben sich eine Reihe von Flugsimulator-Fans im Internet zusammengefunden, um mit „Flight Gear" eine eigene Alternative zu den etablierten Programmen zu entwickeln. Dieser Simulator soll kostenlos für jedermann frei verfügbar und mit dem mitgelieferten Quellcode sogar modifizierbar sein. So etwas kann durchaus funktionieren: Die Entwicklung von Linux, dem GNU C-Compiler oder der TeX/LaTeX-Pakete hat das sehr eindrucksvoll demonstriert.

Natürlich ist die Frage berechtigt, ob sich der Aufwand angesichts von Preisen, die etwa beim FSFW95 deutlich unter 100.- DM liegen, überhaupt lohnt. Die Herausforderung kam denn auch aus einer anderen Richtung: Die Popularität, die etwa der FS5 erlangt hat, ist zweifellos zu einem großen Teil den vielen hundert Szenerien, Flugzeugen und Panels, die als Free- oder Shareware entwickelt wurden, zu verdanken. All dies ist aber der akribischen Entschlüsselungsarbeit einiger weniger versierter Programmierer zu verdanken, die oftmals einem Ratespiel gleicht. Von den Firmen selbst werden die Programmierschnittstellen, die APIs, in den seltensten Fällen dokumentiert. Das Flight Gear Projekt hat sich dagegen zum Ziel gesetzt, einen Simulator zu entwickeln, der von Beginn an offen angelegt ist: Sämtliche APIs sollen dokumentiert werden, und wo das nicht der Fall ist, kann man diese dem mitgelieferten Quellcode leicht entnehmen.

Ein zweites Problem: „Billige" Simulatoren müssen den Massenmarkt ansprechen, damit sich die Entwicklungskosten rentieren. Das führt dazu, daß auf leichte Bedienbarkeit, Multimediaeffekte etc. oft mehr Wert gelegt wird als auf die korrekte Plazierung und aktuelle Frequenzzuteilung aller VOR und ILS, realistischen Funkverkehr und manches andere. Hinzu kommt, daß es bei einem Produktentwicklungszyklus von etwa zwei Jahren sehr lange dauert, bis selbst anerkannte Abänderungswünsche berücksichtigt und korrigiert werden können. Manches, was sich ernsthafte Simulator-Piloten wünschen, ist in diesem Konzept unter ökonomischem Gesichtspunkt wohl auch überhaupt nicht zu realisieren.

Daneben gibt es einen weiteren Grund, warum sich die Flugsimulator-Fans einen „eigenen" Simulator wünschen. Fast die gesamte Flugsimulations-Software ist mit ganz wenigen Ausnahmen nur auf eine Plattform zugeschnitten: den „Wintel-PC". Der MacIntosh wird von Microsoft nicht mehr unterstützt und auch für die verschiedenen Unix-Derivate (vor allem Linux als ideale Plattform für Privatanwender) gibt es nichts Vergleichbares zum FS5/FSFW95. Der Grund ist der gleiche wie oben: Unter kommerziellem Gesichtspunkt lohnt sich das nicht.

Abb. 1: Das Flight Gear Windows 95-Icon.

Die unmittelbare Anregung zum „Flight Gear-Projekt" geht auf Dave Murr, einen 16-jährigen US-amerikanischen Schüler zurück. Um Hirngespinste eines übereifrigen Pennälers handelt es sich allerdings nicht: Dave Murr ist seit nunmehr etwa 2 Jahren Mitherausgeber des sehr erfolgreichen Internet-Zines „FS-News". Der Vorschlag wurde sowohl in der Newsgruppe rec.aviation.simulators als auch in der Mailingliste fltsim@grove.iup.edu ausgiebig - auch kontrovers - diskutiert und schließlich in einem ersten Proposal, einer Art „Pflichtenheft", festgehalten, das inzwischen in der dritten Version vorliegt.

Über folgende Punkte sind sich die Entwickler inzwischen weitgehend einig geworden:

Derzeit arbeiten etwa 6-8 Leute aktiv an „Flight Gear"; in die (allen offenstehende) Entwicklerliste haben sich allerdings weit mehr eingetragen. Natürlich ist klar, daß z.B. die Szeneriedesigner erst richtig beginnen können, wenn die Grafikausgabe und der Kernel in den Grundzügen „stehen".

(Ob dabei auf die vom FS5/FSFW95 bekannte *.bgl-Struktur zurückgegriffen oder ein neues Format definiert werden soll, ist noch offen. Ersteres hätte natürlich den Vorteil, daß mit einem Schlag ein riesiges Angebot von Szenerien sofort zur Verfügung stände. Gleichzeitig besteht aber die Gefahr, daß man damit auch eine Reihe grundsätzlicher Beschränkungen des *.bgl-Formats mit „hinüberschleppt".)

Bis zum Szeneriedesign ist allerdings auch noch etwas Zeit. Nachdem in den ersten Wochen und Monaten zunächst konzeptionelle Fragen diskutiert wurden, haben sich inzwischen einige beherzte Programmierer hingesetzt und begonnen, die ersten Module zu schreiben.

Naturgemäß sind dies die elementaren Grafikroutinen, die Tastatureingabe etc. Es ist vor allem Eric Korpela (University of California, Berkeley) zu verdanken, daß die wesentlichen einen inzwischen auf (fast) allen anvisierten Plattformen compiliert werden können und laufen. Inzwischen haben wir nicht mehr nur Bruckstücke von Programmcode, die per eMail hin- und hergereicht werden, sondern ein richtiges lauffähiges Programm. Einen Screenshot zeigt Abbildung 2.

Abb. 2: Ein Screenshot von „Flight Gear" unter Linux – zwar noch kein Flugsimulator, aber wichtige Grafikroutinen.

Die Strahlen in der oberen Bildhälfte sind nicht statisch, sondern huschen rasch über den Bildschirm. Wie schnell das auf den unterschiedlichen Maschinen geht, vermittelt bereits einen Eindruck von der zukünftigen Bildwiederholrate. Die Streifen in der unteren Hälfte sind der Anfang eines zukünftigen Panels. Unsere neueste Errungenschaft ist die „Uhr", die die Systemzeit anzeigt. Wer etwas geübt ist, kann damit durchaus schon eine 2-Minuten-Standardkurve fliegen...

Parallel dazu wird an weiteren Modulen gearbeitet. Curtis Olson (University of Minnesota, Minneapolis) hat ACM, einen ebenfalls frei verfügbaren, aber nur unter UNIX lauffähigen militärischen Simulator, „zerlegt" und bestimmte Kernel-Module für unsere Zwecke angepaßt. Eine (von mir verfaßte) Installationsanleitung liegt inzwischen ebenfalls vor. Weitere Informationen über das Konzept, den aktuellen Stand, die Entwickler, die Module und vieles andere vermittelt die Flight Gear Homepage

http://www.menet.umn.edu/~clolson/fgfs/

Mit Sicherheit wird dann, wenn dieser Artikel erscheint, manches schon wieder überholt sein. Wer sich nicht scheut, mit noch unfertigen Programmen zu experimentieren, kann sich auch den aktuellen Code von dort herunterladen. Fertig compilierte und lauffähige Versionen für DOS und Linux (ELF) liegen ebenso auf dem Server wie der komplette Quellcode. Wer den GNU C-Compiler installiert hat, kann versuchen, Flight Gear anhand der Installationsanleitung selbst zu compilieren. Vielleicht findet der eine oder andere sogar Spaß daran, bei der Entwicklung mitzuhelfen.

Allerdings ist experimentieren nicht jedermanns Sache. Den meisten Leser des FSFD wird es wohl doch eher darum gehen, zu fliegen. Ich muß deshalb deutlich sagen: Einen fertigen „Flight Gear Flugsimulator", vergleichbar mit dem FSFW95, wird es bis zum Erscheinen dieses Artikel nicht geben. Deswegen die abschließende Frage: Wann wird Flight Gear so weit sein, daß man damit fliegen kann? Die Schätzungen gehen hier recht weit auseinander. Pessimisten haben die Mannjahre abgeschätzt, die im FS5 stecken, und daraus eine Entwicklungsdauer von 10 Jahren abgeleitet. Optimisten sind der Meinung, daß man in einem halben Jahr bei sicher noch bescheidener Szenierie mit Flight Gear zumindest fliegen kann. Ich würde sagen: Schauen Sie doch in einem halben Jahr wieder mal bei uns vorbei. Wenn die Dinge weiter so gut laufen wie bisher, können Sie dann vielleicht tatsächlich schon starten.